Ein Interview mit Juniorenweltmeisterin Merle Menje vom StTV Singen
Leistungssportlerin Para Leichtathletik und Para Ski nordisch
Merle, wie hast Du persönlich die Corona Anfangszeit im März empfunden?
Merle: Es war eine sehr ungewisse Zeit, die mich persönlich auch teilweise sehr traurig gemacht hat. Jeden Tag kamen andere Nachrichten und man wusste nicht, was als Nächstes passieren wird. Ich stand kurz vor der Abreise nach Dubai, wo ich dieses Jahr das erste Mal die Möglichkeit gehabt hätte bei einem großartigen Wettkampf zu starten. Dort hätte ich mich vielleicht sogar als Juniorteilnehmerin bei der diesjährigen Europameisterschaft qualifizieren können. Dann überschlugen sich die Ereignisse und ein Wettkampf nach dem anderen wurde abgesagt, die Schulen dann geschlossen, die Paralympics, die im nächsten Jahr in Tokio stattfinden sollten, verlegt. Auch da wäre ich im Paralympischen Jugendlager dabei gewesen.
Wie ging es dann weiter bei Dir? Wie waren Deine Trainingsmöglichkeiten ab März?
Merle: Ab Mitte März gab es keine Möglichkeit mehr das Stadion zu nutzen. Da ich ab dann im Home Schooling war, versuchte ich mir einen Plan zu machen und meinen Tag zu strukturieren. Ich hatte mehr Flexibilität und durch die wegfallenden Termine und Schulwege sogar mehr Zeit zum Trainieren. Das Training war wichtig und lenkte mich ab.
Wo hast Du trainiert, als das Stadion geschlossen war?
Merle: Ich habe das große Glück, dass ich zu Hause eine Rolle für den Rennrollstuhl habe und darauf gut trainieren kann. Außerdem durften wir in Deutschland ja noch nach draußen und ich habe viel auf Rad- oder Feldwegen mit meinem neuen Rennrollstuhl oder auch meinem Langlaufschlitten trainiert. Außerdem habe ich mich zu Hause mit Stabilisationstraining und kleinen Krafteinheiten fit gehalten.
Du hast einen neuen Rennrollstuhl?
Merle: Ja, bisher hatte ich noch keinen eigenen, auf mich individuell angepassten, Rennrollstuhl. Das ist aber wichtig. Außerdem war mein bisheriges Leihgerät mittlerweile schon sehr in die Jahre gekommen. Ende Februar konnte ich den neuen Rennrollstuhl noch abholen und konnte dann auch die Zeit nutzen, um an der Sitzposition und verschiedenen Einstellungen zu arbeiten. Das benötigt auch immer einige Zeit, bis es so passt, wie man es braucht.
Wie konntest Du Dich in dieser ungewissen Zeit selbst zum Training motivieren?
Merle: Da ich sehr häufig sowieso allein trainiere, war das kein großes Problem. Ich stand mit meinen Trainern in Kontakt und sie schickten mir Trainingspläne.
Die Lehrgänge und Wettkämpfe, die dann normalerweise ab März/April gekommen wären und wo ich auch meine Freunde aus aller Welt treffe, fehlten natürlich schon sehr.
Ich fand dann im Internet Ausschreibungen und Möglichkeiten an virtuellen Wettkämpfen teilzunehmen und setzte mir eigene Ziele.
Was waren das für Wettkämpfe und wie wurde das umgesetzt?
Merle: Das war ganz unterschiedlich. Meinen ersten virtuellen Wettkampf absolvierte ich schon im Mai. Das war eine Art Challenge und man konnte sich sein Ziel selber setzen. Ich fuhr einen Halbmarathon mit dem Rennrollstuhl auf Radwegen und Straßen rund um Gottmadingen. Im Juni folgte ein Halbmarathon mit meinem Langlaufschlitten auf Skirollern. Dann gab es reale abgesagte Rennen, wie beispielsweise den Stuttgarter Lauf, die dann aber ihre Rennen virtuell umsetzten. Man konnte seine Strecke auf heimischen Wegen absolvieren und hat es per App aufgezeichnet und später die Zeit und Strecke übermittelt. Auch bei einem Spendenlauf für Ärzte ohne Grenzen, der virtuell stattfand, habe ich mitgemacht. Man konnte dabei 12 Stunden lang fahren und Kilometer sammeln. (Zum Bericht)
Im Moment mache ich eine Serie an Läufen des Gold Coast Marathons, der normalerweise Anfang Juli in Australien stattfindet. Das macht mir viel Spaß und bringt mir große Motivation und Wettkampfsimulation. In Australien hätte ich sicher nicht teilnehmen können, aber so ist es möglich.
Wie sieht es momentan mit Trainingsmöglichkeiten aus?
Merle: Ich durfte ab Mai im Einzeltraining wieder im Stadion trainieren, was mir auch wieder andere Möglichkeiten gab. Dann gab es erste Kurzlehrgänge in Kleingruppen am Olympiastützpunkt in Freiburg. Inzwischen ist das Training wieder gut möglich und auch die Lehrgänge und Trainingslager laufen wieder langsam an.
Und wie sieht es mit Wettkämpfen aus?
Mein erster Wettkampf ist für August in der Schweiz geplant. Darauf freue ich mich sehr, um zu sehen, wo ich stehe.
Wie es im Winter aussieht, kann aber momentan keiner sagen und ich muss abwarten was möglich ist und ob Weltcups im Ski nordisch stattfinden können oder nicht.